Alodia Witaszek zu Gast – eine Zeitzeugin des Nationalsozialismus

Am Walter-Eucken-Gymnasium war am vergangenen Dienstag, 15. November 2019, Alodia Witaszek zu Gast. Die mittlerweile 81-jährige Polin reiste eigens für eine Woche aus Bydgoszcz an, um in Freiburger Schulen Vorträge über ihre Erlebnisse im Nationalsozialismus zu halten.

Organisiert wurde dieser Zeitzeugenaufenthalt vom Maximilian-Kolbe-Werk. Vor den GGk-Kursen von Johannes Schiefer (13/3) und Ralph Lilienthal (13/4) referierte Frau Witaszek und beantwortete die Fragen der Schülerinnen und Schüler:

Alodia Witaszek ist gerade fünf Jahre alt, als ihr Vater, ein angesehener Arzt und Wissenschaftler an der Posener Universität, als Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten hingerichtet wird. Nachdem die Mutter verhaftet und ins Konzentrationslager Auschwitz gebracht wird, stehen die fünf Kinder im Alter zwischen einem und acht Jahren allein da. Mehrere Verwandte nehmen sich ihrer an. Kurz darauf werden die Kinder von der Gestapo geholt und auf ihre Tauglichkeit zur „Germanisierung“ untersucht. Die blonde und blauäugige Alodia gilt als „rassenützlich“. Gemeinsam mit ihrer ebenfalls blonden Schwester Daria werden sie von den übrigen Geschwistern getrennt und kommen in das berüchtigte „Jugendverwahrlager Litzmannstadt“ - einem Konzentrationslager für Kinder - im heutigen Łódź. Dort bleiben sie sechs Wochen in Holzbaracken und schlafen zusammen auf einer Pritsche unter einer dünnen Decke. Die nächste Station ist ein SS-Heim in Kalisz, geführt von deutschen Schwestern, die mit den Kindern nur Deutsch sprechen und sie glauben lassen, sie seien deutsche Kinder, deren Eltern im Krieg umgekommen sind. Dann kommen die Mädchen in ein „Lebensborn“–Heim in Bad Polzin (damals Pommern, heute Polen). Von hier aus wurden die Kinder an deutsche Familien übergeben - als ein „Geschenk des Führers“.

Am 24. April 1944 wird die kleine Alodia ihrer neuen „Mutti“ als Alicja Wittke übergeben. Die deutsche „Mutti“ glaubt, ein Waisenkind in ihre Familie aufzunehmen und adoptiert es. Alodia heißt nun Alice Luise Dahl und beginnt im Herbst 1944 ihre Schulzeit in Stendal (heute Sachsen-Anhalt). Alodias leibliche Mutter überlebt die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück. Nach Kriegsende sucht sie zwei Jahre lang nach ihren verschleppten Töchtern. Kurz vor Weihnachten 1947 hat sie Erfolg: Alodia kommt am 7. November 1947 nach Polen zurück, ihre Schwester Daria, die in Wien gelebt hatte, einen Monat später. Alodia kehrt in ihre fast vergessene Familie zurück und muss ihre Muttersprache neu lernen. Den Kontakt zu ihrer deutschen Familie gibt sie nie auf. Ihre polnische Mutter und ihre deutsche „Mutti“ lernen sich Jahre später kennen und schließen Freundschaft. Bis heute ist Alodia ein „Kind mit zwei Müttern”.

 

R. Lilienthal

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