Projekt Botschafter*innen für Gurs

Schüler*innen der Nahost AG reisen nach Gurs, dem Internierungslager der Nationalsozialisten im Süden Frankreichs, und produzieren Roadcasts.

 

Die Nahost-AG des WEG Freiburg reiste zusammen mit ihrer Lehrerin Sandra Butsch und der Leiterin der Geschichtswerkstatt Rosita Dienst-Demuth nach Gurs, dem Standort des ehemaligen Internierungslagers der Nationalsozialisten im Süden Frankreichs. Die Reise ergab sich aus dem Projekt der AG „Die Reise Mickeys von Gurs ins Hier und Jetzt – ein Comic wird fortgezeichnet“. Der Weg der Schüler*innen, die sich als Botschafter*innen für Gurs verstehen, führte über Paris – Lourdes – Château d’Orion – Navarrenx nach Gurs.

Zur Aufarbeitung der Reise entwickelte die AG das Format Roadcast (Roadtrip + Podcast) und beschäftigte sich mit dem Medium Radio. Zu jedem Reiseabschnitt entstand ein Roadcast und ein Film.

Roadcasts gegen das Vergessen

Der erste Teil des Roadcasts war eine Reise in die Vergangenheit, in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, die – auch in Freiburg –, eine jüdische Geschichte ist. Dabei begleitete die Gruppe Dory Sontheimer, Zeitzeugin und Autorin des Buches „Die sieben Schachteln“, welches verfilmt wurde, zu der Stolpersteingedenkveranstaltung ihrer Familie. Mütterlicherseits stammt die Familie aus Freiburg.

Für das Roadcast interviewten die Mitglieder der Nahost AG Frau Sontheimer, sowie die Leiterin des Dokumentationszentrums Freiburg Julia Wolrab, die Leiterin der Gedenk- und Bildungsstätte Blaues Haus Breisach Christiane Walesch-Schneller, die Initiatorin der Stolpersteininitiative vor Ort Marlis Meckel, sowie Rolf Mathis von der Paul-Mathis-Stiftung, welche unsere Reise erst ermöglichte, zu den Themen Erinnern und Erinnerungskultur, sowie der speziellen Erinnerungsarbeit zum Lager Gurs.

Roadcast: Botschafter*innen für Gurs-ein Internierungslager im Süden

Film: Botschafter*innen für Gurs-ein Internierungslager im Süden

 

Drei Religionen, ein Gott?

Der zweite Teil des Roadcasts setzt sich mit dem Thema „die drei monotheistischen Religionen im laizistischen System Frankreichs“ auseinander, in dem Kirche und Staat radikal getrennt sind. Die Gruppe besuchte in Paris das jüdische Viertel Marais, arbeitete und recherchierte im Mémorial de la Shoah, interviewte Zeitzeug*innen und Mitarbeiter*innen der drittgrößten Gedenk- und Bildungsstätte weltweit.

Im muslimischen Teil der Stadt stärkten sich die Schüler*innen mit Nanaminz-Tee und Baklava (Gebäck aus dem Nahen Osten), besuchten die große Moschee von Paris und interviewten gläubige Muslime zum Thema Glaube und Laizismus in Frankreich.

Die Reise führte im Anschluss an Paris nach Lourdes, wo die Gruppe an einer großen Pilgerprozession teilnahm, die Quelle der heiligen Bernadette Soubirous aufsuchte und Christen aus aller Welt zu ihrer Motivation und Glaubenseinstellung befragte.

 Roadcast: Laizismus

  Film: Laizismus
 

In Erinnerung an die Opfer

Der dritte Teil spielt rund um das ehemalige Internierungslager Gurs am Fuße der Pyrenäen, heute auf dem Jakobsweg gelegen.

Das Internierungslager Gurs

Das Lager selbst war bereits vor dem Zweiten Weltkrieg das größte französische Internierungslager für politische Flüchtlinge aus Spanien und ehemalige Kämpfer des Spanischen Bürgerkrieges. Eine traurige Bekanntheit erlangte dieses Lager vor allem im Südwesten Deutschlands, da 6.538 Deutsche jüdischen Glaubens im Rahmen der Wagner-Bürckel-Aktion am 22. Oktober 1940 von Nationalsozialist*innen und deren französischen Kollaborateur*innen dorthin transportiert wurden. Die meisten dieser Häftlinge wurden, soweit sie unter den extremen Bedingungen, die zu einer hohen Mortalitätsrate führten, bis dahin überlebt hatten, anschließend von dort erneut deportiert und im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ab August 1942 von den Deutschen vergast.

Seit 1994 ist das Lagergelände eine nationale Gedenkstätte. Es wird vom Förderverein Amicale du camp de Gurs betrieben.


Im Mémorial de la Shoah recherchierten und gedachten die Schüler*‘innen der Nahost AG der damals 10-jährigen Sonja Hene aus Eichstetten, die in Auschwitz ermordet wurde. Von ihrer großen Schwester Wiltrude, die in einem Hugenottendorf überlebte und mit Gretel bis zur Deportation die heutige Lessingrealschule, damalige jüdische Zwangsschule, besuchte, weiß man viel über den schweren Alltag in Gurs.

Vor französischem Publikum: die Präsentation der Arbeit

Auf dem Château d’Orion stellte die Gruppe dann vor einem deutsch-französischen Publikum ihr Projekt „Die Reise Mickeys von Gurs ins Hier und Jetzt – ein Comic wird fortgezeichnet“ vor im Rahmen des Programmes „Le Camp de Gurs. En mémoire de la déportation des juifs du Palatinat et du Pays de Bade au camp de Gurs.“ Außerdem wurde ein Grußwort des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Herrn Winfried Kretschmann verlesen. Auch die anderen Schulgruppen stellten ihre Projekte vor. Die Gruppe des Walter-Eucken-Gymnasiums empfand es als großes Glück, diesen Gruppen auf diesem wunderschönen Schlossgelände zu begegnen.

Die Schüler*innen diskutierten mit sämtlichen für das Gedenken in Gurs wichtigen Persönlichkeiten – dem Historiker Pierre Lahalie, der Verantwortlichen von Amicale Anne Machu, der Schlossherrin und Journalistin Elke Jeanrond-Premauer, sowie Mélina Burlaud, die die Lagermusik recherchierte und neu inszeniert. Die Interviews sind im Roadcast zusammengefasst.

Bewegende Begegnungen in Gurs

Die Schüler*innen recherchierten und beschäftigten sich bereits im Vorfeld mit der Geschichte von Alain Foucher, den sie zusammen mit seiner Frau Joelle in ihrer Pilgergîte in Navarrenx zu Besuch hatten, ihn bekochten, interviewten und den Tag gemeinsam gestalteten. Am Tag des Geburtstages seiner verstorbenen Mutter Gretel Levy, die ebenfalls in die Zwangsschule für jüdische Kinder gehen musste und in Gurs interniert war, konnten die Schüler*‘innen Alain ihre Rechercheergebnisse übergeben. Für ihn war es das erste Mal, dass er in Gurs war und mehr über das Leben seiner verstorbenen Mutter erfuhr. Der Tag war für alle Beteiligten sehr bewegend und wird in Erinnerung bleiben.

Schließlich besuchte die Gruppe das Lager Gurs; dort bekam sie von Monsieur Vallés, einem Zeitzeugen, dessen Vater republikanischer Flüchtling war, eine mehr als lebendige und interessante Führung. Den Breisacher und Freiburger Jüdinnen und Juden gedachten die Schüler‘*innen mit Kieseln, die sie aus dem Rhein bei Breisach vom Blauen Haus mitbekommen hatten und auf die Gräber der Gestorbenen legten.

Roadcast: Rund um's Lager Gurs

Film: Rund um's Lager Gurs

Die Schüler*innen zeigten sich durch die weite Reise durch Frankreich in die Vergangenheit tief berührt, manche betonten, dass diese Reise sicher unvergesslich sei und sie die Erfahrung prägen werde.

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